Aus dem Frauenleben by Wildermuth Ottilie

Aus dem Frauenleben by Wildermuth Ottilie

Autor:Wildermuth, Ottilie
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-02T16:00:00+00:00


Die Blume darf nicht sprossen

Und ringen nicht das Herz,

Das Leben hat geschlossen

Das Buch von Lust und Schmerz.

Denke in Deinem Gebet

Deiner Helene.

Weilburg, Mai 1835.

Teuerste Helene!

Du glaubst, daß Dein Entschluß schon gefaßt sei, und doch fragst Du mich noch: was soll ich tun?

Gönne mir, gönne Deinem eigenen Herzen noch eine Stimme, eh Du entscheidest, mein liebes Herz! Du berufst Dich auf meine nüchterne Lebensansicht und erwartest von mir gewisse Zustimmung. Ich weiß wohl, ich bin ein hausbackenes Ding, ihr habt mich immer die Jungfer Weisheit genannt, und ich hatte jederzeit gewaltig viel Vernunft übrig – für andre Leute, sein Teilchen Dummheit behält am Ende das Klügste für sich, – aber das Herz wird mir doch unendlich schwer, wenn ich an Deinen Entschluß denke, und ich meine, ich müsse Dich mit beiden Armen zurückhalten.

Ob Du glücklich wirst durch Dein Ja, – ach, liebes Kind, das ist wohl schwer zu bestimmen. Ich habe fröhliche, selige Bräute gesehen, deren Ja nur der Schlußakkord der süßen Melodie war, die ihr ganzes Wesen durchklang, und – ich sah sie bald wieder in einsamer Trauer als Witwen oder – als unbefriedigte Frauen, die nicht verstanden hatten, den schönen Klang festzuhalten.

Ob es klug ist, dieses Ja auszusprechen, wollen wir darum zunächst nicht fragen, das ist zuzeiten oft recht schwer zu finden; aber ob es recht ist, das sollte doch wohl mit Gottes Hilfe zu ergründen sein. Ich kann ja selbst nicht wissen, was es ist um dies Ja, das unser ganzes Sein, Leib und Seele an ein andres Dasein knüpft, aber es muß etwas unendlich Großes sein; darum bedenke wohl, eh Du es aussprichst! Kannst Du denn diesem Manne angehören, so mit ganzem Herzen, daß im tiefsten Grund Deiner Seele keine Stelle mehr ist, wo er nicht zu Hause sein dürfte?

Du findest es bei Deiner Jungfer Weisheit natürlich, daß sie eine Wahl aus Liebe, was man so nennt, nicht für die einzige Bedingung zum Glück der Ehe hält, und da hast Du recht. Ich bin noch jung (ich glaube wenigstens; hie und da komme ich mir erschrecklich alt vor), aber ich habe doch schon in manches Herz und Leben gesehen und gefunden, daß das höchste Glück selten da war, wo man mit den höchsten Erwartungen begonnen hat. Eine solche Liebeswahl fügt sich ja so selten in unseren Tagen, und Gott kann doch unmöglich den Stand, den er selbst eingesetzt hat, in so wenigen Fällen nur mit Glück begabt haben.

Schön muß es freilich sein, wunderbar schön, wenn einem das Leben einmal so recht seine vollen Rosen in den Schoß wirft, aber es liegt Gefahr in diesem Glück: man freut sich seiner Rosen und spielt damit, bis sie welk sind. Wo aber das Glück als ein unscheinbares Pflänzchen in Deine Hand gelegt wird, das Du einsenken, das Du treu und oft mit Mühe hegen und pflegen mußt, da lernst Du Dich auch der kleinsten Knospe freuen und empfindest Dein Glück als Dein Eigentum und als einen Gottessegen zugleich.

Darum laß Dir nicht das Herz schwer machen durch George Sandsche Ideen, liebste Helene!



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